St. Martinskomitee Anrath

Das Martinskomitee in Anrath seit 1897



Der Brauch, das St.-Martinsfest zu feiern geht auf den heiligen Martin zurück. Er wurde um 316/317 n.Chr. im ungarischen Szombathely (Steinamanger) geboren und wuchs als Soldatensohn auf. In Amiens teilt er als Offizier einer römischen Eliteeinheit seinen Mantel mit einem Bettler, empfängt die Taufe und bittet den Kaiser bald darauf in Worms, aus dem Militärdienst ausscheiden zu dürfen. Als Einsiedler gründet er in Liguge das erste Kloster Galliens. Gegen seinen Willen machte ihn die Bevölkerung zum Bischof von Tours. In dieser Eigenschaft unternimmt er weite Missionsreisen. Mehrfach ist er in kirchenpolitischer Mission beim Kaiser in Trier und Mainz zu Gast.
Im Juli 2016 wurde in Tours der "Martinssommer" gefeiert. Viele Fußpilger aus Martins Geburtsstadt in Ungarn machten sich auf den europäischen Martinswegen auf in das 2.500 Kilometer entfernte Tours. Dort wurde symbolisch die "Via Sancti Martini" eingeweiht, ein europäisches Wegenetz auf den Spuren jenes heiligen Erzbischofs von Tours aus dem 4. Jahrhundert.

In Anrath, wie auch in anderen Gegenden am Niederrhein, war es üblich, daß am Martinstag Kinder mit Lichtern und Fackeln singend von Haus zu Haus zogen. Aus den Häusern duftete es nach den allseits beliebten "Püfferkes", den aus Buchweizenmehl gebackenen runden Küchlein, welche auch "Bokkertzkocken" genannt wurden. "Püfferkes", Äpfel und Nüsse wurden an die Kinder verteilt. Leider wurde mit dieser Sitte im Laufe der Jahre Mißbrauch getrieben. Manche Schüssel mit "Püfferkes" und auch manche Martinsgans verschwanden auf "unerklärliche Weise".
Um diesem Unwesen Einhalt zu gebieten, wurde auf Initiative des damaligen Ratsherren Johann Gantevoort 1897 ein Martinskomitee gebildet. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben Gantevoort der damalige Bürgermeister Horster sowie Rektor Diez und Wilhelm Schmitz.
Ziel des neu gegründeten Komitees war es, die wilden Martinsfeiern in geordnete Bahnen zu lenken.

Aufzeichnungen aus den Gründerjahren liegen nicht mehr vor, während des ersten und zweiten Weltkrieges fanden keine Martinsumzüge statt.
Im Jahr 1945 nahm das Komitee auf Initiative des in Anrath sehr bekannten und beliebten Lehrers und Künstlers Kornelius Feyen seine Arbeit wieder auf. Der Martinszug wurde organisiert. Doch die Bescherung der Kinder bereitete dem Komitee große Sorgen. Eine Verteilung der Martinsgaben, wie Äpfel, Nüsse u.ä., war wegen der großen Lebensmittelknappheit nicht möglich. Dies hatte zur Folge, dass in den Schulen pro Kind 1 Brotmarke von 250 g und 1 Eßlöffel Zucker eingesammelt wurden. Auch bei der Haussammlung wurden neben Geld Lebensmittelabschnitte eingesammelt. Eine große Hilfe waren die Bauern aus Anrath. Sie spendeten für das Martinsfest Weizen. Dieser wurde in der Getreidemühle von Josef Gastes gemahlen und anschließend den Bäckern übergeben.
Heinrich Hissen erzählt: "Wir stießen damals auf eine große Bereitschaft. Im Herbst wurde auf den Feldern geerntet und die Garben dann später in die Scheunen gebracht. Gedroschen wurde im Winter, weil dann auf den Höfen Zeit dafür vorhanden war. Das gespendete Korn konnte also frühestens im Frühjahr bei den Bauern abgeholt und zum Mahlen gebracht werden. Die Anlieferungen erfolgten beim Landhandel Gastes oder beim Lager der Spar- und Darlehenskasse. Da das Korn bzw. das Mehl erst im Frühjahr zur Verfügung stand, erhielten wir vor dem Martinsfest bei den Anlieferungsstellen schon einen "Mehlvorschuss", der dann im Frühjahr verrechnet werden mußte."
Das Ergebnis der Anstrengungen im Jahre 1945 ist in der Pfarrchronik, aufgezeichnet von Dechant Hubert Harff, nachzulesen: "Am 11. November fand nach langen Jahren der Unterbrechung wieder der St. Martinszug statt. Mit Begeisterung sangen die Kinder die alten Martinslieder und wurden dann nach Beendigung des Zuges mit einem großen Weckmann beschert."

Die zu überwindenden Schwierigkeiten dauerten an. Mit Hilfe der Bevölkerung konnte jedoch auch 1946 das Martinsfest gefeiert werden. Hierzu wurde in der Pfarrchronik von Dechant Hubert Harff vermerkt: "Am 11. November fand wieder der St. Martins-Fackelumzug statt. Unsere Kinder - besonders die Flüchtlingskinder, die so etwas zum ersten Mal erlebten -, harrten mit großer Spannung des Tages. Bei gutem Wetter konnte der Fackelzug sich entfalten. Alle Kinder bekamen einen schönen Buckmann."
Im Jahr 1946 wurde auch die erste Satzung handschriftlich von dem damaligen Schriftführer Karl Goldstein erstellt. Die Zahl der Komiteemitglieder sollte danach 30 nicht übersteigen. Erst im Jahre 1955 erfolgte eine Satzungsänderung in Absatz 1 auf 50 Mitglieder und in Absatz 4 wurde die Frist zur Abhaltung der Generalversammlung von 4 Wochen auf 3 Monate verlängert. Die Anzahl der Mitglieder stieg jedoch mit der zunehmenden Bevölkerungszahl von Jahr zu Jahr auf heute annähernd 100 an.

Die Feier zum 50-jährigen Bestehen des St. Martinskomitees im Jahre 1947 mußte aus finanziellen Gründen auf 1948 verschoben werden. Ein großes Fest fand nicht statt, jedoch ritten ab diesem Jahr erstmals dem St. Martin zwei Pagen zur Seite.
Es war selbstverständlich, dass die Lehrerschaft, vertreten durch Rektor Esch und Lehrer Kipke, dem Komitee beratend zur Seite stand. Im Jahr 1949 wurden Rektor Esch und Lehrer Kipke als ordentliche Mitglieder ins Komitee aufgenommen. Auch heute ist die Zusammenarbeit der Lehrerkollegien aller Anrather Schulen mit dem Komitee hervorragend und aus der Organisation des Martinsfestes nicht fortzudenken. Beispielhaft sei hier auf das jährlich stattfindende Laternenfest an der Gottfried- Kricker-Schule hingewiesen.
Da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse langsam besserten, konnte ab ca. 1950/1951 neben dem Weckmann den Kindern und älteren Bürgern auch eine für damalige Zeit gut gefüllte Tüte überreicht werden. So hatte z.B. 1951 die Tüte folgenden Inhalt: Apfel, 50 g Schokolade, 1 Packung mit 8 Stück Keks und 10 Milchkaramellen.
1953 wurde die Tüte ergänzt mit 4 Printen und 1 Paket Feigen. Mit dem Inhalt der heutigen Martinstüten ist dies dank der Spendenfreudigkeit der Anrather für ihre Kinder nicht mehr zu vergleichen.